Fake News – alles glauben, was man will

Fake News – alles glauben, was man will

(Foto: Markus Winkler auf Unsplash)

Im Frühling 2022 glaubten 54 Prozent der Österreicher*innen, dass sie sehr oft/oft/manchmal Fake News ausgesetzt sind (European Parliament 2022). Während man zunächst denkt, es sei gut, dass sich so viele Menschen der Gefahren von Fake News bewusst sind, kann man es bei genauerem Hinsehen nahezu umgekehrt sehen. Denn offensichtlich vermuten zu viele Menschen, dass sie im Alltag (absichtlich) falsch informiert werden. Schuld sind dann „die Regierung“, „die Medien“ und in zunehmendem Maße auch „die Wissenschaft“. Allein diese abstrakten Bezeichnungen beweisen, wie beliebig dies ist. Dabei machen laut Boberg et.al. (2020: 16) Falschnachrichten und Verschwörungstheorien nur etwa 1,1 Prozent aller Interaktionen in den Social Media aus. Beruhigt zurücklehnen kann man sich trotzdem nicht, weil Falschnachrichten zuweilen erst Jahre später einflussreich wirken (vgl. Boberg et al 2020: 16).

Glaubt die Bevölkerung also gar nichts mehr? Umberto Eco hat in einem seiner letzten Bücher als Warnung aufgezeigt, dass das Gegenteil zutrifft: Alles wird geglaubt, egal wie abstrus (Eco 2021: 34). Hängen bleibt davon, was zum jeweiligen Weltbild passt. So gesehen geht es für viele User*innen nicht darum, welche Nachricht wahr ist, sondern ob man dem Medium vertraut und ob man die Information überhaupt interessant genug findet, um sich damit zumindest kurzfristig zu beschäftigen. Man will und kann bloß glauben kann, was man glauben will (Arendt 2021b: 56) und was man gelernt hat zu glauben (vgl. Ingruber 2011). Zudem ist es leichter, einer nahestehenden Person zu vertrauen, als jemandem, den oder die man nicht besonders schätzt. Dementsprechend ist man eher gewillt, von letzterer Person das Schlimmste zu vermuten, als von jemandem, der oder die einen beindruckt oder den/die man liebt (vgl. Ingruber 2023).

 

Wenn man meint, man wisse alles

Die eigentliche Wissensverzerrung findet allerdings auf einer anderen Ebene statt. Es handelt sich um sogenannten Dunning-Kruger-Effekt: Je weniger man weiß, desto eher glaubt man, viel zu wissen und desto eher meint man auch, mit dem eigenen Wissen im Recht zu sein (vgl. Kruger/Dunning 2009). Daher ist es nahezu unmöglich, jemanden, der an Verschwörungserzählungen glaubt, vom Gegenteil zu überzeugen. Das geht bis zum völligen Rückzug aus dem Freundeskreis oder der Familie, wenn man ihr/ihm nicht glaubt. Diese Abgrenzung der Betroffenen geschieht parallel zur Hinwendung zu Gleichgesinnten, wodurch sich die Kluft zu Andersdenkenden nochmals verstärkt, bis hin zu dem Punkt, dass diese Menschen für die Demokratie zumindest eine Weile verloren sind (vgl. Nocun/Lamberty 2020: 29).

 

Demokratiepolitisch werden daher Schulfächer wie Politische Bildung und Medienbildung immer wesentlicher. Denn nur wenn die Bürger*innen bereits in frühem Alter lernen, mit Fake News umzugehen, diese zu bemerken, zu durchschauen und dann auch wissen, wie sie sich dagegen wehren können, vermögen sie auch abzuschätzen, welche Nachrichten sie selbst verbreiten sollten und welche besser nicht, weil es sich um Lügen oder gar Manipulationen handelt. Die Vorstellung nämlich, dass die Mediennutzer*innen unschuldig an Fake News sind, ist grundlegend falsch. Sie sind es, die bestimmen, welche Informationskanäle und Medien erfolgreich sind, und was wie weiterverbreitet wird (vgl. Brodnig 2021). Bildung schützt leider, wie Nocun/Lamberty eindringlich beschrieben haben, nicht davor, Verschwörungslegenden oder Fake News zu verfallen (2020: 32), weil es immer auch eine psychologische und emotionale Seite des Glaubens an etwas gibt, doch durch ständige Aufklärung haben Mediennutzer*innen wenigstens die Wahl, etwas glauben zu wollen, zu können oder eben nicht. Manchmal macht nur das den kleinen Unterschied zwischen Lüge und Wahrheit im nächsten Posting aus.

 

Dieser Blogtext beruht auf dem Artikel: Ingruber, Daniela (2023): Medien und die verzweifelte Suche nach der Wahrheit. in: K. Stainer-Hämmerle/D. Ingruber: Was kann man noch glauben? Verschwörungstheorien und Faktenorientierung in der Politischen Bildung. Tagungsband der 12. IGPB-Jahrestagung. Schwalbach: Wochenschau Verlag.

 

Literatur:

Arendt, Hannah (1921b): Wahrheit und Politik: in: Arendt, H.: Wahrheit und Lüge in der Politik. Zwei Essays. München: Piper Verlag, 6. Aufl., S. 44–92.

Boberg, Svenja/Quandt, T/Schatto-Eckrodt, T/Frischlich, L. (2020): Pandemic populism: Facebook pages of alternative news media and the corona crisis. A computational content analysis. Online: https://arxiv.org/abs/2004.02566 [01.06.2022].

Brodnig, Ingrid (2021) Einspruch! Verschwörungsmythen und Fake News kontern – in der Familie, im Freundeskreis und online. Wien: Christian Brandstätter Verlag.

European Parliament (2022): EP Flash Survey. Media & News Survey 2022. Online: https://europa.eu/eurobarometer/surveys/detail/2832 [01.06.2024].

Kruger, Justin/Dunning, David (2009): Unskilled and Unaware of It: How Difficulties in Recognizing One’s Own Incompetence Lead to Inflated Self-Assessments. In: Psychology 1/2009, S. 30–46. DOI: 10.1037//0022-3514.77.6.1121.

Eco, Umberto (2021): Verschwörungen. Eine Suche nach Mustern. München: Carl Hanser Verlag.

Fritze, Ronald. H. (2022): Hoffnung, Angst und Schrecken. Moderne Mythen, Verschwörungstheorien und Pseudohistorie. Zürich: Midas Verlag.

Ingruber, Daniela (2011): bilder ohne wirklichkeit. kriegsfotographie in zeiten der quantenphysik. Wien: LIT-Verlag.

Ingruber, Daniela (2023): Medien und die verzweifelte Suche nach der Wahrheit. in: K. Stainer-Hämmerle/D. Ingruber: Was kann man noch glauben? Verschwörungstheorien und Faktenorientierung in der Politischen Bildung. Tagungsband der 12. IGPB-Jahrestagung. Schwalbach: Wochenschau Verlag.

Nocun, Katharina/Lamberty, Pia (2020): Fake Facts. Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen. Köln: Bastei Lübbe AG/Quadriga.

 

 


Insight by

Daniela Ingruber

ehemal. wissenschaftliche Mitarbeiterin