Interview Mag. Gabriele Spindler

Interview Mag. Gabriele Spindler

Bei der Veranstaltung „Zwischenräume von Nachhaltigkeit in der Kunst“ an der Universität für Weiterbildung Krems, war Mag. Gabriele Spindler, Leiterin für Kunst- und Kulturwissenschaften der OÖ Landes-Kultur GmbH und Kuratorin des österreichischen Beitrags der Biennale in Venedig 2024, zu Gast. Adrian Praschl Bichler von der Plattform Nachhaltige Entwicklung führte ein Gespräch mit ihr.

Adrian Praschl Bichler: Herzlichen Dank, dass Sie sich Zeit genommen haben das Interview mit uns zu führen. Zunächst eine allgemeine Frage: Wie kann der zeitgenössische Museumsbetrieb nachhaltig funktionieren?

Gabriele Spindler: Der zeitgenössische Museumsbetrieb hat sehr viele Möglichkeiten nachhaltig zu funktionieren. Es beginnt bei den Transporten, geht über die Technik in den Ausstellungen, dabei fungiert Energieeffizienz als Schlagwort und geht bis hin zu der Anzahl von durchgeführten Projekten. Außerdem sollte man darauf achten, wie man mit den Materialien umgeht, die in den Ausstellungen verwendet werden. Im Idealfall sollten diese nicht weggeworfen, sondern wiederverwendet werden. Es bietet sich auch an, ganze Veranstaltungen in Museen als sogenannte Green Events abzuhalten.

In den österreichischen Museen hat sich in den letzten Jahren schon einiges entwickelt. Eine große Unterstützung ist das Förderprogramm „Klimafitte Kulturbetriebe“ der EU und des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS), über welche die Museumsinstitutionen beispielsweise Umstellungen im technischen Bereich vornehmen können.

Ein großes Thema ist auch der CO2-Fußabdruck, der nicht nur durch Mitarbeiter_innen und Projektpartner_innen entsteht, sondern vor allem durch die vielen Transporte, die für Sammlungen und Ausstellungen notwendig werden.

Es gilt bei dieser Bandbreite an Ansatzpunkten zur nachhaltigen Gestaltung zeitgenössischer Museen vor allem darum sich auf die Veränderungen einzulassen und einen großen Willen dafür aufzubringen, Personal zu diesem Zweck bereitzustellen und alle Leute im und um den Museumsbetrieb, inklusive den Besucher_innen mitzunehmen.

APB: Welche konkreten Schritte sind für einen Museumsbetrieb notwendig, der die SDGs berücksichtigt und somit über klimawirksame Ziele allein hinausgeht?

GS: Bildung spielt eine wesentliche Rolle für Museen. Nicht nur Schulen haben einen Bildungsauftrag, sondern auch öffentliche Museen sollten diesen erfüllen. Durch die Kombination entsprechender Themenstellungen, die das Nachhaltigkeitsthema bearbeiten, mit einer geeigneten Form der Vermittlung kann man viel erreichen. Ein weiterer Punkt ist die faire Bezahlung (Fair Pay) in Museen und bei Projekten in ausgegliederten Institutionen, wo oft nur temporäre Mitarbeit notwendig ist. Außerdem wäre es wichtig auf mehr Diversität bei der Einstellung von Mitarbeiter_innen zu achten.

APB: Wie kann und wird der Nachhaltigkeitsaspekt in den oberösterreichischen Sammlungen berücksichtigt?

GS: Der Nachhaltigkeitsaspekt in Sammlungen ist ein besonders schwieriger. Es ist eine Wesenseigenschaft von Sammlungen in Museen darauf ausgelegt zu sein immer größer zu werden. Dafür werden immer mehr Ressourcen benötigt, sowohl energietechnisch als auch hinsichtlich der Raumkapazitäten. Der vorhandene Raum und die Energie sind sogar entscheidend für den Erhalt und die Bewahrung der Sammlungen.

Wie kann man die Sammlungen nun nachhaltig gestalten? Am wichtigsten erscheint es mir die Depotsituation gut im Griff zu haben. Dabei muss auf die Energieeffizienz in den Gebäuden geachtet und sichergestellt werden, dass saubere Energie bezogen wird.

Ein zweiter wesentlicher Ansatzpunkt zur nachhaltigen Führung von Sammlungen ist die Transformation des Transports von Sammlungsobjekten. Da Leihgaben fast immer mit dem LKW befördert werden, müsste man sich hier meiner Meinung nach hinterfragen und Alternativen überlegen.

Insgesamt würde ich mir einen sensibleren Umgang in der Sammlungsthematik wünschen. Man sollte sich hinterfragen, ob jede Bewegung eines Objekts unbedingt notwendig ist und generell eine größere Reflektionsbereitschaft hinsichtlich nachhaltigen Handelns aufbringen. Die seit einigen Jahren existierende Commissioners Group bei der Biennale von Venedig, bei der sich nationale Pavillons zusammengetan haben, um das Thema Nachhaltigkeit zu erörtern, verwendet die treffenden Schlagworte Rethink-Reuse-Recycle. Dabei ist die Positionierung des Rethink entscheidend. Zuallererst sollte darüber nachgedacht werden, welche Schritte für ein bestimmtes Projekt hinsichtlich des Nachhaltigkeitsgedankens überhaupt notwendig sind und welche Folgen ein Projekt hat.

APB: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit und die SDGs in Ihrer Profession als Kuratorin und bei den Vorbereitungen zur Biennale 2024, bei der Sie als Kuratorin tätig sind?

GS: Das Thema der Nachhaltigkeit ist in den Vorbereitungen zur Biennale angekommen. Als Kuratorin muss man ein Nachhaltigkeitskonzept liefern, an das man sich dann auch zu halten hat. Für unser Projekt planen wir Zugreisen nach Venedig, verwenden recyclebare Materialien und schauen insgesamt auf die Materialressourcen. Die Biennale-Künstlerin Anna Jermolaewa ist aber auch dafür bekannt ressourcenschonend zu arbeiten. Durch ihre künstlerische Beschäftigung mit gewaltfreiem, politischem Widerstand gegen autoritäre Regime bedient sie auch das SDG 16 – Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen. Außerdem halten wir uns in diesem Projekt an Fair Pay-Regelungen, die auch beim Bund schon länger ein Thema sind.

APB: Anna Jermolaewa beschäftigt sich mit Sprache und Ausdrucksformen des gewaltfreien Widerstands. Dieser kann nicht nur friedensstiftend sein, sondern auch wie im Falle der Klimaproteste, als gewaltfreier Widerstand gegen politische Entscheidungen oder Nicht-Entscheidungen, starke Widerstände und Wut evozieren. Wie wichtig ist die künstlerische Auseinandersetzung mit dieser Form des Widerstands und kann oder sollte dieser auch in einer praktischen Form von Künstler_innen vermehrt eingesetzt werden?

GS: Da gibt es einen gewissen Widerspruch, das ist richtig. Diese Form des Aktivismus kann im Zweifelsfall auch zu Gewalt führen. Ich möchte nicht bewerten, ob Künstler_innen vermehrt politisch aktivistisch auftreten sollten. Es geht immer darum bestimmte Ziele zu erreichen und die kann man auf unterschiedliche Weise erreichen. Wenn sich Künstler_innen politisch aktivistisch ausdrücken, dann sollte das Ganze jedenfalls eine ästhetische Qualität in der Umsetzung mitbringen. Anna Jermolaewa gelingt es gewaltfreien Widerstand auf eine sehr poetische Art und Weise zu vermitteln. Das erscheint zunächst als Widerspruch, gelingt ihr aber trotzdem und macht ihre besondere künstlerische Qualität aus. Diese Form der poetischen Auseinandersetzung mit dem Thema wird auch für das Projekt in Venedig fortgesetzt und erscheint mir hervorragend geeignet, um die Erreichung der SDGs voranzutreiben.

APB: Vielen Dank für das Gespräch!

GS: Sehr gerne, Danke auch!

 

Foto: Copyright Maria Ziegelböck


Insight by

Adrian Praschl-Bichler

wissenschaftlicher Mitarbeiter