Antony Gormleys „Horizon Field“ vor Wiederaufstellung?

Antony Gormleys „Horizon Field“ vor Wiederaufstellung?

Wie vor Kurzem bekannt wurde, sollen die eisernen Figuren des Kunstwerks „Horizon Field“ vom britischen Künstler Antony Gormley nach ihrer ersten Aufstellung von 2010 bis 2012, Vorarlberg wieder bevölkern.

Die sich mitten in der Natur auf exakt 2039 Meter Höhe befindlichen insgesamt 100 Figuren, erstreckten sich über ein Gebiet von 150 Quadratkilometern über das Klostertal, den Arlberg, das Kleinwalsertal und den Bregenzerwald. Nur eine der lebensgroßen Statuen blieb nach 2012 stehen. Der sich für die Wiederaufstellung engagierende Verein „Horizon Field Vorarlberg“ hat nun bereits Verträge „für mehr als 70% der Standorte“ (ORF Vorarlberg) abgeschlossen. Umweltschützer kritisieren das Vorhaben allerdings wegen der notwendigen Helikopterflüge zur Wiederaufstellung und vor allem aufgrund der zunehmenden künstlerischen Interventionen im alpinen Raum – nicht unbedingt notwendige menschliche Eingriffe in die Natur. Sowohl der Verein „Horizon Field Vorarlberg“ als auch der Künstler Gormley selbst sind aber um höchstmögliche Akzeptanz in der Bevölkerung bemüht und der Verantwortung gegenüber der Natur bewusst. Dies wird auch deutlich, wenn man Gormleys Naturzugang näher betrachtet.

Antony Gormleys Naturzugang oder Zugang zur Welt deckt sich mit dem des Kulturtheoretikers Bruno Latour. Die Beziehung zwischen Menschen und Dingen zeichnet sich durch ihre Verbundenheit, ihre Ähnlichkeit und den fließenden Übergängen zwischen ihnen aus. Man kann nicht von einem „autonomen Subjekt“ sprechen. Gerade die Covid-Pandemie sollte der Menschheit vor Augen geführt haben, wie sehr sie mit anderen Organismen und ganz allgemein, der Natur, verbunden ist. Dem Konzept der Verbundenheit mit der Natur folgend, würden Menschen bei einer Verletzung derselben, nur sich selbst schaden. Es liegt also in Gormleys Interesse, dass seine Arbeiten ein nicht-invasiver Teil der natürlichen Umgebung sind. Die Podeste von der erstmaligen Aufstellung von „Horizon Field“ sind zumindest noch vorhanden und könnten wiederverwendet werden.

Die Skulpturen Gormleys machen uns die Grenzen zwischen Körpern, Menschen und Dingen durch Spannungen zwischen Masse und Leere, Oberfläche und Tiefe, Innen und Außen bewusst, nur um sie dann zu relativieren oder zu negieren. Gormley betont die Ununterscheidbarkeit der Dinge und Konzepte der Kontinuität, Konnektivität und Gemeinsamkeit. Kunst kann uns seiner Ansicht nach vielleicht dabei helfen, die Durchlässigkeit zwischen den Körpern und unsere Einbettung in die Biosphäre zu erkennen. Zu diesem Zweck verwendet Gormley für seine Arbeiten oft ungewöhnliche, aber natürliche Materialien. Seine Arbeiten möchten ein Nachdenken über das eigene Menschsein und den Platz, den Menschen einnehmen, bewirken.

Das gilt auch für die Figuren in Vorarlberg. Das Werk „Horizon Field“ bezeichnet Gormley als „Akupunktur der Landschaft“. Es sei in Interaktion mit der Natur und den Menschen, sozialem und geologischem Territorium, Landschaft und Erinnerung. Die Menschen bindet es durch die gleichmäßige Verteilung auf den Bergen in derselben Höhe ein. Der eigene Körper wird plötzlich Teil des horizontalen Feldes und die Betrachter_innen werden dazu eingeladen die eigene Position in der Welt zu hinterfragen. Die Figuren seien „neither representations (statues) nor symbols, but represent the place where a human being once was, and where any human being could be” (Antony Gormley). Sie sind somit allgemeine Repräsentanten der menschlichen Spezies. Als solche sind sie genauso vergänglich wie jeder Mensch. Im Freien situiert, sind die eisernen Figuren Wind und Wetter ausgesetzt und reagieren mit dem Sauerstoff. Das daraus resultierende Eisenoxid gibt dem Werk im wahrsten Sinne des Wortes, eine weitere Schicht und verweist abermals auf die Verbundenheit der Natur.

Kennt man den naturverbundenen Zugang Gormleys nicht oder sieht diesen nicht als vordergründig, kann die in der Landschaft stattfindende Intervention im besten Fall als Mahnmal und stellvertretend für die menschliche Eroberung des alpinen Raums und anderer ursprünglich abgelegener Orte verstanden werden. Wird dem Werk kein Wohlwollen entgegengebracht, so sind die Figuren kein Mahnmal, sondern nur ein weiteres Beispiel des überbordenden künstlerischen Eingriffs in die Natur.

 

Literatur:

Der Standard, Antony Gormleys „Wächter“ rufen Naturschützer auf den Plan, Antony Gormleys alpine „Wächter“ rufen Naturschützer auf den Plan – Kultur – derStandard.at › Kultur, abgerufen am: 21.05.2024, 13:47 Uhr.

Gormley A., Horizon Field, Austria, 2010-2012, Horizon Field, Austria – Making – Antony Gormley, abgerufen am: 21.05.2024, 13:45 Uhr.

Holmboe, R. D. (2023). How It Is. In Thaddaeus Ropac (Hrsg.), Antony Gormley – Umwelt (8-17). Thaddaeus Ropac.

ORF Vorarlberg, Rückkehr der Eisenmänner in greifbarer Nähe, Rückkehr der Eisenmänner in greifbarer Nähe – vorarlberg.ORF.at, abgerufen am: 21.05.2024, 13:38 Uhr.

 

Foto: Oliver HD auf Unsplash


Insight by

Adrian Praschl-Bichler

wissenschaftlicher Mitarbeiter